domingo, 31 de octubre de 2010

Conucos und Hausgärten. Ein Beitrag zur Geschichte der urbanen Landwirtschaft in Kuba.







Kuba gilt weltweit als Vorreiter der urbanen Landwirtschaft. Als der Zusammenbruch des sozialistischen Handelsblocks RGW die Staatswirtschaft der Insel in den 1990er Jahren in die schwerste Krise seit der Revolution stieß, gab die kubanische Führung notgedrungen die bis dato systemimmanente Ideologie einer nachholenden Industrialisierung auf und etablierte in den Folgejahren Strukturen für eine ökologische Ressourcennutzung. Anstatt die staatliche Versorgungspolitik aus der Hand zu geben und in die Privatwirtschaft zu überführen, werden Kubanerinnen und Kubaner heute dabei unterstützt, eine nachhaltige Selbstversorgung in den Städten aufzubauen. Ökologische Ansätze im Obst- und Gemüsebau, möglichst verbunden mit (Klein-)Tierhaltung auf begrenztem Raum in den Stadtzentren und dem suburbanen Umland sind Teil der sogenannten Revolución Verde, der grünen Revolution. Wenig beachtet wird jedoch das weit in die Geschichte des Landes zurückreichende Wissen über kleinparzellige Landwirtschaft. Jahrzehntelang hinter dem Ideal der Industrialisierung zurückgedrängt und in Vergessenheit geraten, beginnt der Staat erst seit wenigen Jahren, die Wiederentdeckung dieses Wissens zu unterstützen. 

Vorläufer und Entwicklung der urbanen Landwirtschaft

Bedingt durch die besondere historische Entwicklung der Hauptinsel des karibischen Archipels finden sich die ersten Formen städtischer Selbstversorgung bereits während der Zeiten der Massensklaverei ab Ende des 18. Jahrhunderts. Die auf Jamaika u.a. Inseln der Antillen genauer erforschten Huertos Caseros (Hausgärten) oder Conucos1 gab es auch in Kuba und anderen Inseln der Karibik (Mayor 2001/ Castiñeras 2002). Dort bedeuteten die Conucos, die meist direkt an die Hütten der städtischen Sklaven anschlossen, für die aus afrikanischen Kulturen entwurzelten Menschen und ihre Nachfahren einen gewissen ökonomischen und sozialen Freiraum innerhalb des Zwangsregimes der spanischen Kolonisatoren (vgl. Roberts in Falola & Childs 2004). Mit diesen Parzellen, auf denen Gemüse, Obst und Kräuter angebaut wurden, sollten sich die Sklaven selbst versorgen. Sie nutzten jedoch die Conucos auch dazu, aus den afrikanischen Kulturen bekannte Anbauweisen fortzuführen, quasi-familiäre Banden zu schließen und sich in die fremdartige Kultur und feindliche Umgebung zu integrieren. Neben diesem sozial-integrativen Moment wurden damals, wenn auch nicht bewusst, Methoden zur Kultivierung der Vielfalt von einheimischen Obst- und Gemüsesorten tradiert, die bereits vor Beginn der Kolonisierung, insbesondere von den indianischen Ureinwohnern, den Taínos, eingeführt worden waren. Im Rahmen ihrer konventionellen landwirtschaftlichen Ökonomie kultivierten die Taínos tropische Feldfrüchte, besonders Knollenfrüchte wie Yuca und Boniato, aber auch Mais, Erdnüsse, Paprika, Ananas, Baumwolle und Tabak auf Hügelbeeten. Bis heute gehören die im Geschmack der Kartoffel ähnelnden Gewächse Yuca, Boniato und Malanga, auch Vianda (Speise, aber auch Wurzelknolle) genannt, zu einem typisch kubanischen Mahl.
Im Zuge der Abolition wurden viele der Hütten und Gärten ehemaliger Sklaven per Gewohnheitsrecht in der Familie weitervererbt. Noch während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts pflegten die immer noch unterdrückten und marginalisierten Nachfahren ehemaliger Sklaven im familiären oder quasi-familiären Verbund kleine Stadtgärten und etwas größere Fincas. Von Beginn der kubanischen Revolution 1959 an galt diese häusliche Subsistenzökonomie jedoch als Merkmal der Unterentwicklung und sollte durch eine weniger arbeitsintensive industrielle Produktion abgelöst werden.2 Zu Beginn der 1960er Jahre kamen erstmals industrielle Techniken zum Einsatz, um in der Stadt Gartengemüse und Obst anzupflanzen. Während auf dem Land große staatliche Farmen (granjas estatales) entstanden, in denen Bauern mehrheitlich Zuckerrohr, aber auch Tabak, Reis, Gemüse und Obst pflanzten, verschwanden nach und nach ökologische Anbaumethoden wie die Dreifelderwirtschaft. Häusliche Anbaumethoden hielten dem Industrialisierungsdruck und der passiven Kooperativierungspolitik des kubanischen Staates nicht stand. (Grote 2004) Für die Produktion von frischen Lebensmitteln auf kleinem Raum wurden sogenannte Hidropónicos und Zeopónicos (inputintensive Monokultur) eingerichtet. Der Einsatz von starken chemischen Produkten zur Düngung und Schädlingsbekämpfung sollte die Ertragsraten steigern. In den 1970er und 80er Jahren führte man diese Systeme mit relativ geringem Erfolg auch in den Städten ein (vgl. Rodríguez Castellón 2000).
Anfang der 90er Jahre jedoch stand die kubanische Agrarwirtschaft, mittlerweile hoch aufgerüstet mit sowjetischen Erntemaschinen und nahezu vollständig vom Import russischen Kraftfutters abhängig, vor dem Aus.


1Der Begriff Conuco stammt aus der Karibik und wurde während der Kolonisation als Bezeichnung für die Gärten verwendet, die Sklavinnen und Sklaven von ihren Besitzern zur Verfügung gestellt wurden. Heute werden damit häufig ländliche Subsistenzgärten bezeichnet, Conuco kann aber auch einfach nur „Hügelbeet“ bedeuten.
2Nicht vergessen werden dürfen die sozialen Errungenschaften der Revolution, die kostenlose Bildungskampagnen für alle Kubanerinnen und Kubaner beinhalteten und die rassistische Alltagspraxis eliminierten. Dadurch entwickelte sich eine starke Solidarität der vormals marginalisierten Klassen mit der sozialistischen Regierung (vgl. de la Fuente 2001).